Corona-Life LIVE

Zurzeit ist vielleicht nicht viel auf den Straßen in St. Georg los, dafür umso mehr in den Köpfen. Die meisten beschäftigt wohl die Frage: Wie geht es weiter?

Der Kulturladen St. Georg bietet hier eine digitale Bühne mit Video, Text und Bild-Kunst an.

Alle vom Zeitgeist geprägt.

Machen Sie mit und schicken Sie uns Ihre Interpretation!

A Tribute to The Blue Note Era

Nachdem bereits 3 Konzerte im Rahmen der Jazzmeile wegen Corona von „A Tribute To the Blue Note Era“ bei uns abgesagt werden mussten, gibt es hier einen kleinen Trost um den „Corona-Blues“ besser überstehen zu können und gleichzeitig einen Vorgeschmack auf das was euch erwartet wenn wir unsere Türen wieder öffnen dürfen. Aber, bis bei uns endlich wieder Live-Konzerte mit Publikum stattfinden können, können wir die Künstler in unser Zuhause holen und uns dort in eine andere Ära versetzten lassen.

A Tribute To The Blue Note Era“ ist ein von der Hamburger Saxophonistin Doro Offermann ins Leben gerufenes Projekt, das im Mai 2019 anlässlich der Glückstädter Nacht des Jazz Premiere hatte. In klassischer Quintett-Besetzung werden die großartigen Kompositionen von Wayne Shorter, Miles Davis, Horace Silver, Herbie Hancock, John Coltrane, Wes Montgomery und weiteren Zeitgenossen der atmosphärisch sehr inspirierenden 1960er-Jahre-Epoche des Blue Note-Labels abgefeiert.

Doro Offerman – Saxophone
Michael Leuschner – Trompete, Flügelhorn
Kalle Tjaben – (E-)Piano
Maria Rothfuchs – Bass
Dave Bowler – Drum

Lars Andersen – Manchmal bin ich voller Müdigkeit*
Da ich mich als Ehrenamtlicher als ein Teil des Kulturladens sehen darf,

 rührt es mich besonders, dass dort LEBEN ist.

Meine Möglichkeit durch ein winziges Ehrenamt etwas zu dem Leben bei zu tragen
 sehe ich derzeit als stillen Beitrag.
Vielleicht ist das falsch? Gibt es etwas was ich tun kann? Her damit!
In meinem „systemrelevanten“ Beruf fühle ich mich gerade so gar nicht berufen.
Die Dienstleistung des Brotverkaufens hat durch die strengen Auflagen und Regeln
 etwas von einem Fahrkartenkontrolleur bekommen.

Aber das ist ok. Im Großen und Ganzen machen alle mit.
Die Unbelehrbaren, Dauerunzufriedenen, Besserwissenden
 und Menschen ohne Verständnis fallen besonders auf.
 Ich vermute, dass diese Menschengruppe für meine Müdigkeit verantwortlich ist.
Meine Kollegen, die sich mit Sorgen um ihre Gesundheit und der Mehrarbeit trotz kleinerer Besetzung, an mich wenden,
 sind auf keinen Fall dafür verantwortlich.
Es sind die Kunden, denen das Bedienen nicht schnell genug geht
– ist ihr Kollege krank?

Nein, wir versuchen durch kleine Besetzung auch hinter der Theke irgendwie einen Abstand zu halten. Es gibt Menschen, die sich trotz diverser Schilder, Balken, Absperrbänder etc. über die Theke beugen, um das Brötchen, welches sie haben möchten, am besten selber aus dem Korb zu fischen. Wenn ich dann einen Schritt zurücktrete, bekomme ich vielleicht noch ein scharfes „Das Da“ entgegengeschleudert.

Menschen, denen geholfen werden muss, sind meistens sehr verwirrt, dass ihnen doch jemand hilft. Durch die Abschottung mit Plexiglasscheiben kann ich häufig kleinen Menschen
ihre Backwaren nicht so anreichen, dass sie diese auch in Empfang nehmen können.

Also gehe ich um die Theke herum und breche mit dem Mindestabstand,
 um z.B. beim Verpacken im Rollstuhlkorb zu helfen. Ein völlig selbstverständlicher Vorgang.
Müde bin ich dann plötzlich, wenn mich der nächste Kunde anstarrt:
„Warum ich mir nun erst die Hände wasche und desinfiziere!
Glauben Sie, dass Rollstuhlfahren ansteckend ist?“
Ja, was soll ich da sagen? Soll ich es erklären? Die Warteschlange ist sowieso schon endlos.
Wenn ich mir dann noch die Zeit nähme, dies zu erklären,
müssten auch noch die Öffnungszeiten erweitert werden! Bloß das nicht!

Es hat ja auch seine komischen Seiten: In einer Niederlassung der besseren Vororte ist der Spender für die Händedesinfektion etwas defekt.
Man (Frau) muss schon kräftig draufdrücken, um an die begehrte Flüssigkeit zu kommen. Dementsprechend häufig sind natürlich die Beschwerden: „Ihr Spender ist kaputt!“
Meine Erklärung, das Ding würde ja SPENDER heißen und es vielleicht helfe,
wenn man erstmal etwas spende, findet nicht jeder Kunde witzig.

Ich jammere auf hohem Niveau.
Wenn ich an Pflegepersonal oder an auftragslose Kunstschaffende oder Veranstaltende
und natürlich an euch/uns/den Kulturladen denke!
Nein, ich bin froh „systemrelevant“ zu sein.
Auch wenn das Wort grausig klingt, es zeigt Dienstleistung in einem anderen Licht.
Es ist ein wenig wie Flugbegleiter: Beim Einsteigen ist es noch die Saftschubse.
Wenn der Sauerstoff knapp wird, ist er dann plötzlich die wichtigste Person an Bord.

Ich freue mich wenn ich wieder müde bin,
weil ich nach einem Frühdienst noch in den Kulturladen St. George fahren durfte
und für Jazz in der Stadt sorgen durfte!

Liebe Grüße an Alle,

Lars  Andersen

 

Axel Fahning & Matthäus Winnitzki - Anti Corona Blues

Nenad Nikolić – Serbia Meets Brazil

Acoustic Fenstersims Session mit Distanz Part II

“Corona” Linolschnitt von Sirpa Lea Tinnemeyer

Acoustic Fenstersims Session mit Distanz

“Corona Life Live” präsentiert euch “Ali Shibly” live und in Technicolor am KANUN (arabische Zither).
Viel Spass mit seinem Beitrag gegen die Langeweile 😉

 

Vogelfrei

Seit Wochen ist‘s jetzt schon dieselbe Szene:
Pantomime gegen leerende Gähne:
Nach langer Weile geht der Tag zu Ende,
du trittst hinaus, hebst dankend deine Hände,
du blickst hoch oben vom Balkon herunter,
winkend schneidest du Grimassen ganz munter.
Weil ich dich hier unten ja nicht hören kann,
obwohl ich eigentlich wohne nebenan.
Du willst mich erheitern, zum Lachen bringen,
damit ich wieder anfange zu singen.
Doch zu dieser Zeit muss ich mich verbiegen,
durch dreckige, schlierige Scheibe schielen,
um deine Späße wirklich zu erfassen
und dabei Grübeln und Zaudern zu lassen.

Lieber Freund, was soll ich dir denn berichten,
stumme, leblose, fad-graue Geschichten?
Es passiert doch nichts, man wartet und wartet,
Sekunden und Stunden sind gleichgeartet.
Der Sonnenschatten wandert immer weiter,
aber hier drinnen wird’s stickig statt heiter.
Man hüpft mal an den Wänden von rechts nach links,
ein Powerworkout ist anders, allerdings.
Man führt Gespräche via Telepathie,
doch so richtig funktionieren tut das nie.
Man wühlt mal im Stroh, schichtet es auf oder isst
grundsätzlich zu viel, als ob man dann vergisst,
dass man schläft, obwohl man gar nicht schlafen kann,
weil man rastlos ist und ständig fragt: Wie lang?

Auf unbestimmte Zeit die Nester hüten,
dabei über neuen Ideen brühten,
das ist es, wie man mir zu leben sagte,
als ich nach dem Zweck dieses Käfigs fragte.
Ein durchsichtiger Kasten mit vier Ecken,
in dem ich mich bloß mühsam kann verstecken,
meine Freunde nur in der Ferne ahnen,
dazu wehen unbewegliche Fahnen.
Damals schon und immer wieder hob ich an,
hoch zu flattern und zu fliegen dann und wann.
Doch es ist das eiserne Dach von oben,
das mich innerlich lässt wüten und toben.
Dumpf klingt mein Kopf an der vorderen Scheibe,
wenn ich so meine Stirn dagegen reibe.
Am liebsten hätt‘ ich, dass die Scheiben klirren,
dass ich wage, in den Lüften zu schwirren
oder dieses Hindernis zu besiegen.
Ich bin ein Vogel und ich möchte fliegen!

Du, mein lieber Freund, bist zwar noch anders dran,
hast’s nicht besser; wir ziehen an einem Strang:
Frau Vogel ohnmächtig betäubt weggesperrt;
Herr Specht, um dessen Baumstamm sich niemand schert.
Ich sehnsüchtig in Gedankenwelt dämmernd.
Du lustlos den Schnabel in Plastik hämmernd.
Jeden Abend passiert dann kontrollierend,
unser Wärter bedächtig patrouillierend,
ob wir auch brav die Weisungen befolgen,
geschrieben als neues Gesetz in Golden.
Es ist erlassen, zuhause zu bleiben,
Ausflug und Geschnatter möglichst zu meiden,
auf Brautschau und Pfauengang zu verzichten,
alle Segelflugpläne zu vernichten.

Deine Pantomime sieht vernünftig aus,
sie zeigt deutlich: Begreife doch, ich bin zuhaus‘
und mache täglich für mich das Beste draus.
Lieber Freund, das ist wirklich schön zu sehn
Und scheint für dich auch wunderbar zu geh‘n:
Lustlos, doch nicht ohne Sinn, sticht dein Schnabel
statt in Stamm, deine eigene Astgabel.
Und dabei kannst du sogar noch heiter sein,
bespaßt mich von oben sehend in ganz klein.
Doch Frau Vogel, verehrter Herr Nachbar Specht,
fühlt sich in diesen Tagen nicht wirklich echt.
Meine Natur verlangt, Federn zu heben,
mich flügelnd tragen zu lassen vom Leben,
Welten zu erkunden,
Wälder zu umrunden,
in Lüften zu kreisen,
Täler zu bereisen,
frei ein- und auszukehren,
das Vogelsein zu ehren.

Wie sollte ich glücklich mein Nest behüten,
fruchtbare Eier der Zukunft ausbrüten,
wenn die Brutstätte kein Rückzugsort mehr ist,
der Kasten aus Glas Privatsphäre vermisst,
der Deckel über meinen Willen bestimmt,
weil er mich zu unbegrenztem Stillstand zwingt?
Wie nur sollte ich zuhause glücklich sein,
wenn ich weder komme heraus noch herein,
mein Wesen gelähmt in schweren Ketten liegt
und es nur stumme Funken von Hoffnung gibt,
dass eines Tages die Barriere bricht,
das glühende Gesetz auf immer erlischt,
sodass ich dann wieder selbst entscheiden kann
auszufliegen, heimzukehren, wo und wann.
Wie sollte ich unbeschwert singen vom Glück,
dass ich mein Leben so sehr sehne zurück,
wenn man mich hinter Schloss, Glas und Riegel hält?
Deins ist das Heim, meins ist die Freiheit der Welt.

© Katrin Lohse, April 2020

Digitalkunst auf Papier
von Flávio do Nascimento